Mit besserer Kooperation können Klimaschutzziele erreicht werden
Zum zweiten Mal diskutierten Interessierte des Klimabündnisses Bergstraße mit dem Klimaschutzmanager des Kreises, Reiner Pfuhl, über das Klimaschutzkonzept des Kreises. Mit rund 30 Teilnehmenden war die Videokonferenz sehr gut besucht. Nachdem auf dem letzten Treffen der Schwerpunkt auf den Themen Energie und Landwirtschaft lag, standen diesmal Mobilität und Klimabildung/Gesellschaftlicher Wandel im Vordergrund.
Als Aufgabenträger für den gesamten ÖPNV hat der Kreis besonders in diesem Teilkomplex eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten, um die dringend notwendige Verkehrswende anzugehen. So verwundert es kaum, dass sich die meisten Ausführungen im Klimaschutzkonzept und Wortbeiträge auf der Sitzung zum Thema Mobilität mit dem ÖPNV beschäftigten.
Dass hier trotz der großen Fortschritte der letzten Jahre ein sehr hoher Handlungsbedarf besteht, wurde gleich zu Beginn des Treffens deutlich: „Der Verkehrsbereich ist der einzige Sektor, der seine klimaschädlichen Emissionen in den letzten 30 Jahren nicht reduzieren konnte. Trotz Effizienzsteigerungen ist sogar ein leichter Anstieg erkennbar. Es ist also 5 nach 12,“ so Peter Castellanos, der für das Netzwerk bergstraße.mobil und PRO BAHN im Klimabündnis mitwirkt.
So sehr er und viele der über 30 Teilnehmenden der Sitzung viele gute und richtige Ansätze im Klimaschutzkonzept und Nahverkehrsplan fanden, wurde ebenso deutlich, dass selbst viele naheliegende, kurzfristig und ohne viel Geld umsetzbare Verbesserungen noch auf sich warten lassen. Als Beispiele für solche „low hanging fruits“ wurden die kundenfernen Tarif- und Vertriebsstrukturen im Übergangsbereich zwischen RMV, Hürden bei der Nutzung der Ruftaxis, verbesserungswürdige Fahrgastinformation und fehlende Mobilitätszentralen genannt. Letztere sollen Anlaufstellen sein, an denen man sich über das gesamte öffentliche Mobilitätsangebot und Alternativen zum eigenen Pkw vor Ort informieren und Abos hierfür erwerben kann. Bisher gebe es so etwas nur in Lampertheim und ein eingeschränktes Angebot im DB-Reisezentrum in Bensheim. „Kundenservice sieht anders aus und es ist schade, dass bis heute keine konkreten Aktivitäten erkennbar sind, die bei diesen Fragen auf Besserung hoffen lassen könnten“, resümiert Verkehrsplaner Castellanos die aktuelle Lage, die dem Kreis nicht erst nach Beschluss des Klimaschutzkonzeptes bekannt ist.
Mit dem Michelbus in Wald-Michelbach, einem zeitlich und räumlich flexiblen ÖPNV-Angebot das unter Mitbeteiligung des Kreises verwirklicht wurde, wurde am 01. Januar gleichwohl demgegenüber ein positives Signal für Innovationen für die Mobilität im ländlichen Raum gesetzt. Solche On-Demand-Verkehre in Kombination mit dem perspektivisch möglichen autonomen Fahren, könnten sich besonders in ländlichen Gebieten und in Räumen und Zeiten, in denen keine Busse und Bahnen mehr fahren, zu einer bezahlbaren attraktiven Alternative zum eigenen Pkw entwickeln. Ebenso zu begrüßen, seien die bereits umgesetzten bzw. in Umsetzung befindlichen ÖPNV-Angebotsausweitungen zwischen Mörlenbach und Heppenheim, Lautertal und Modautal sowie Lampertheim und Heppenheim.
Am Ende der Diskussion zum Thema Mobilität bestand Einigkeit, dass für das Erreichen einer signifikanten Verkehrsverlagerung die Alternativen zum eigenen Pkw einfach nutzbar sein müssen und dass hierfür bessere Absprachen und Vereinbarungen zu Erfolgen führen können. Bessere Informationsmöglichkeiten für die Kunden, eine Fahrkarte über verschiedene Verkehrsmittel und Verkehrsverbünde hinweg, die auch per Handy erworben werden kann, wären eine große Erleichterung für ÖPNV-Kunden.
Aber es gibt auch Maßnahmen, bei denen viel Geld in die Hand genommen werden muss; und das müsse auch zeitnah erfolgen. Um allein alle Maßnahmen aus dem Nahverkehrsplan, die für die Verkehrswende im Bereich des ÖPNV erforderlich sind, umsetzten zu können, muss der Kreis über 8 Mio. Euro pro Jahr investieren. Wenn dies über die bisherigen Finanzierungsmöglichkeiten nicht absehbar bewerkstelligt werden kann, müsse der Kreis sich beim Land Hessen dafür einsetzen, eine Rechtsgrundlage für die Erhebung eines solidarischen ÖPNV-Beitrags (nach dem Vorbild der schon heute an vielen Hochschulen vorhandenen Semestertickets) durch die Kreise und Kommunen zu schaffen.
Das zweite Hauptthema war „Bildung zum Klimaschutz und Gesellschaftlicher Wandel“. Der Kreis ist dabei, sich mit den Kommunen diesbezüglich besser zu vernetzen. Er wird seine Internetplattform zu einer Beteiligungsplattform ausweiten und auch Instagram nutzen, um vor allem jüngere Menschen besser zu erreichen. Dies fand in der Diskussion grundsätzliche Zustimmung. Allein ein E-Mail-Newsletter könnte dieses Informationsangebot noch ergänzen, insbesondere um jene, die nicht auf Social Media-Plattformen angemeldet sind oder regelmäßig proaktiv die Website des Kreises besuchen, abzuholen.
Dem sehr zu begrüßenden Ausbau der medialen Öffentlichkeitsarbeit zum Klimaschutz stehen die fehlenden Mitwirkungsmöglichkeiten von Bürger*Innen in der neuen Mobilitätskommission, die den Kreis in allen Fragen zum Thema Mobilität beraten soll, gegenüber. In dieser Runde werden neben dem Kreis – anders als im Fahrgastbeirat, der derzeit ruht – nur Vertreter von Institutionen und Verbänden vertreten sein. Das Klimabündnis bedauert, dass der viel hervorgehobene Partizipationsgedanke durch starke Netzwerke im Klimaschutz offenbar nicht in allen Bereichen der Kreisverwaltung konsequent gelebt wird und fordert eine Reaktivierung des Fahrgastbeirats, die per Kreistagsbeschluss jederzeit möglich ist. Derzeit ist der Kreis Bergstraße wieder der einzige südhessische Landkreis ohne Fahrgastbeirat.
Erfreut zeigte sich das Klimabündnis außerdem darüber, dass die zunächst befristete Stelle des Klimamanagers und seiner Mitarbeiterin mit großer Sicherheit verlängert wird.
Das Gespräch verlief in einer durchweg kooperativen und konstruktiven Atmosphäre, wenngleich man sich nicht in jedem Detail einig war. Es gab viel Kritik und mehrere Anregungen, die – wie Klimamanager Pfuhl zusicherte – in die weiteren Beratungen mitgenommen bzw. entsprechend weitergeleitet werden sollen.
So erinnerte das Klimabündnis erneut daran, dass die im Teilplan für erneuerbare Energien festgelegten Flächen für Windräder definitiv nicht ausreichend für die Energiewende sind und vom Kreis erwartet wird, Initiativen zugunsten der Windkraft zu unterstützen. Allein um den laut Klimaschutzkonzept künftigen Energiemehrbedarf durch E-Mobilität befriedigen zu können wären 27 Windräder notwendig. Umso wichtiger ist es, die im Teilplan vorgesehenen 16 Windräder möglichst schnell und konsequent zu schaffen und die Energielücke durch Fotovoltaik, Effizienzsteigerungen, Verkehrsvermeidung und -verlagerung zu schließen.
Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass der „Wattbewerb“, ein Wettbewerb von Städten und Kommunen für den Zubau von Solaranlagen, jetzt seit Anfang des Jahres auch (kleineren) Gemeinden offensteht und es sich dadurch anbietet, die Kommunen kreisweit zu motivieren, dabei mitzumachen. Das könnte dem Bau von Solaranlagen auf Hausdächern neuen Auftrieb geben.