Ohne ÖPNV-Ausbau kein Klimaschutz – Klimabündnis schließt sich INa-Bündnis an
Anfang dieses Jahres gründete sich das Bündnis für Innovativen Nahverkehr im Überwald und Weschnitztal – kurz „INa-Bündnis“. Dieses hat sich der Verbesserung des ÖPNV im Odenwald in der Grenzregion zwischen Hessen und Baden-Württemberg verschrieben. Der Ausbau des ÖPNV ist unverzichtbarer Teil einer nachhaltigeren Mobilität und damit des Klimaschutzes. Um hier konkrete Ansätze zur Verbesserung im Kreis Bergstraße zu erörtern, erhielten zwei Vertreter des INa-Bündnisses Gelegenheit die Initiative beim letzten Online-Treffen des Klimabündnis vorzustellen und über ihr integriertes Gesamtkonzept für eine Verbesserung der Mobilität mit dem ÖPNV in der Region zu berichten.
Die vier Module des Konzeptes – „Ausbau und Neukonzeption Weschnitztalbahn“, „Reaktivierung Überwaldbahn“, „Reaktivierung Bahnstrecke Weinheim – Viernheim“ und „Neuordnung des Straßengebundenen ÖPNV“ – wurden nach und nach präsentiert. Zwischen den Modulen gab es Gelegenheit für Fragen, Kommentare und Diskussion. Eines der umfangreichsten Themen, das das INa-Bündnis bearbeitet, ist die Überwaldbahn.
Finanzielle Entlastung des Kreises und der Kommunen möglich
Die 1983 für den Personenverkehr stillgelegte und seit 2013 zwischen Mörlenbach und Wald-Michelbach als Solardraisine genutzte Strecke soll nach den Vorstellungen des INa-Bündnisses wieder in Betrieb genommen werden. Nach einem im Jahr 2000 veröffentlichten Gutachten, das der Strecke unter der Annahme eines optimiertes Betriebskonzeptes auf der Weschnitztalbahn ein ausreichendes Nachfragepotenzial sowie eine wirtschaftliche Umsetzung in Aussicht stellte, konnte sich der Kreis unter den damaligen Rahmenbedingungen nicht für die Reaktivierung entschließen. Stattdessen wurde das Konzept einer Solardraisine als touristisches Angebot verfolgt, das einerseits erfreulicherweise für einen ordentlichen Trassenerhalt sorgt, andererseits allerdings einen jährlichen Zuschuss von rund 400.000 Euro vom Kreis und den Anliegerkommunen, denen die Strecke gehört, verursacht.
„Nur die Reaktivierung für den Nahverkehr entlastet die Gemeinden von dem jährlichen Defizit der Solardraisine. Bei einer Nutzung für den SPNV würde Geld vom Bund und dem Land Hessen in die Infrastruktur fließen. Anders als heute würden Trassennutzungsgebühren den Unterhalt der Strecke gegenfinanzieren„, so Sven Wingerter, der Teil des Sprecherteams des INa-Bündnisses ist. Auch in der Liste mit 24 Bahnstrecken des Landes Hessen, die nach einer landesweiten Voruntersuchung von fast 100 Strecken ein Reaktivierungspotenzial aufweisen, ist die Überwaldbahn enthalten.
Gemeinden mit Finanzierungskonzept des Kreisausschusses nicht einverstanden
Der Kreisausschuss will jedoch, dass die Anliegergemeinden sich bei der jetzt anstehenden Machbarkeitsstudie finanziell beteiligen. Alle Anliegergemeinden wollen die Reaktivierung grundsätzlich, jedoch ist bis auf Wald-Michelbach keine Bereitschaft vorhanden, auf das Finanzierungskonzept des Kreises, das sich erheblich von dem anderer hessischer Reaktivierungsprojekte unterscheidet, einzugehen. Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), dessen Anteil sich im Wesentlichen aus Landesmitteln zusammensetzt, trägt demzufolge nur 25% bei. Im benachbarten Rhein-Main-Verkehrsverbund werden bei vergleichbaren Projekten dagegen 50% finanziert.
In Hessen sind die Landkreise und kreisfreien Städte Aufgabenträger für den ÖPNV und damit auch für die Finanzierung von Gutachten zu stillgelegten Bahnstrecken zuständig. Dass der Anteil des VRN derart niedrig festgelegt und den für den Schienenpersonennahverkehr eigentlich nicht zuständigen Gemeinden damit vermeidbare Lasten aufgebürdet wurden, wirkt ein wenig so, als ob der Kreisausschuss sich dem im Nahverkehrsplan dokumentierten Willen des Kreistags zugunsten einer Prüfung der Reaktivierung nach einer hessenweit ähnlichen Finanzierung verweigert.
Bahn nützt ohne attraktive Zubringer wenig
Wie ein Diskussionsteilnehmer anmerkte, nützt die beste Bahnverbindung nichts, wenn es keine adäquaten Zubringer gibt. Dem pflichteten die Vertreter des INa-Bündnisses uneingeschränkt bei. Durch neu konzipierte Buslinien in dichtbesiedelten Bereichen sowie On-Demand-Verkehren und Ruftaxis in Räumen und Zeiten mit schwacher Nachfrage könnten hochwertige Zubringer-Angebote hergestellt und die kleinräumige Mobilität zwischen den Gemeinden verbessert werden.
Das INa-Bündnis präsentierte dabei auch einzelne Maßnahmen, die mit vorhandenen Ressourcen, also ohne Fahrzeug- und Personalmehraufwand realisierbar wären. In diesem Zusammenhang fordertCastellanos ein offensiveres Qualitätsmanagement, zu dem auch eine auf Kundenzufriedenheitsmessungen basierende Evaluation des ÖPNV gehöre, die er im Kreis Bergstraße vermisse.
Für das Klimabündnis machte Otto Merkel am Ende der Präsentation deutlich, dass im Mobilitätsbereich noch großer Handlungsbedarf besteht. „Die Verlagerung des Verkehrs auf den ÖPNV ist aus Klimaschutzgründen unverzichtbar – auch und besonders in ländlichen Regionen, wo das besonders anspruchsvoll ist. Die Antriebswende hin zur Elektromobilität ist ebenso nötig, reicht alleine jedoch nicht aus. Das INa-Bündnis verfolgt in unseren Augen daher den richtigen Ansatz, durch eine bessere Angebotsqualität, die Menschen freiwillig zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen.“
Abschließend bestand unter den Teilnehmenden Mitgliedern des Klimabündnisses große Einigkeit darin, sich dem INa-Bündnis anzuschließen. Wenig überraschend verlief daher der einstimmige Beschluss hierzu, verbunden mit der Hoffnung, dass die durch das INa-Bündnis avisierten Gespräche mit den Kreistagsfraktionen zur Lösung des aktuellen gordischen Knotens um den ÖPNV im Überwald und Weschnitztal beitragen.