Wochenimpuls: Wichtig wäre ein Ranking nach Klimafreundlichkeit von Otto Merkel
Am letzten Samstag brachte der Bergstraäßer Anzeiger einen großen Artikel mit der Überschrift: „Top-Standorte: Bensheim weiterhin spitze – mit Heppenheim im Nacken“. Der Bericht ging über eine Studie im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Darmstadt, die die Mittelzentren Südhessens verglich. Ziel sei „eine Verbesserung der Standortbedingungen insgesamt und bessere Zukunftschancen für Unternehmen.“ Die Studie wurde bewusst im Vorfeld der Kommunalwahlen veröffentlicht. „Damit will die IHK die politische Debatte zu wirtschaftsfreundlichen Standortfaktoren in den Kommunen anheizen.“ Warum nicht?
Es ist beliebt und wohl auch tief in uns verwurzelt, möglichst der Beste oder die Tollste sein zu wollen. Und so ist es auch naheliegend, Städte oder Gemeinden zu vergleichen. Was mich stört, ist die Einseitigkeit. Warum gibt es nicht auch eine Studie, die die soziale Lage oder die Zufriedenheit der Menschen in ähnlicher Weise untersucht? Oder eine Studie, die die Kommunen daraufhin untersucht, wie gut sie die Biodiversität fördern?
Oder eine Studie, die untersucht, wie gut die Kommunen umsteuern, um die Erderhitzung zu stoppen? Ich vermute, für solche Studien wäre es etwas schwieriger, die nötigen Finanzmittel aufzutreiben. Diese Interessen sind nicht so gut und finanzkräftig organisiert. Wahrscheinlich wäre es auch aufwendiger, erst mal relevante Kriterien herauszuarbeiten.
Und noch etwas stört mich. Es wird zwar nicht ausdrücklich so formuliert, aber es wird sicherlich unterstellt und vor allem, die meisten Menschen glauben es auch: „Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut.“
Ich möchte beileibe nicht das Gegenteil behaupten. Aber dass die Interessen der Wirtschaft mit dem übereinstimmen, was für alle Menschen zusammen gut ist – also an dieses Weihnachtsmärchen glaube ich zum Glück nicht mehr. Denn so gut, wie die Wirtschaft insgesamt entwickelt ist: Da müsste es ja uns allen gut gehen und wir wären glücklich, die Natur wäre intakt und das Klima nicht gefährdet. Und das ist ja offensichtlich so nicht.
Trotzdem brauchen wir natürlich die Wirtschaft – sie muss den Menschen dienen und die Natur respektieren. Ich will mal einige Vorschläge machen, was man die einzelnen Gemeinden vergleichen könnte unter dem Aspekt, was sie gegen die Erderhitzung tun:
Wieviel Prozent der dafür geeigneten Dächer tragen Solaranlagen?
Wieviel Prozent der großen Parkplätze sind mit Solaranlagen überdacht?
Wieviel Prozent der dafür geeigneten Schallschutzwände?
Wieviel Prozent der dafür geeigneten Fassadenflächen?
Wie sicher, bequem und zügig können Radfahrer*innen sich bewegen – in und zwischen den Ortschaften?
Wie gut ausgebaut, bequem und preisgünstig ist der ÖPNV?
Wie niedrig sind die Feinstaub- und Stickoxidwerte?
Wie niedrig sind die Lärmpegel?
Wieviel Grün ist in den Ortskernen vorhanden und wie gut entsprechend das Kleinklima?
Wieviel Prozent der Öl- und Gasheizungen wurden schon ausgetauscht und durch Anlagen ersetzt, die Erd- oder Luftwärme nutzen?
Wieviel Prozent der Häuser sind schon so gut wärmegedämmt, wie es für diesen Haustyp möglich ist?
Das sind nur beispielhaft einige Fragen. Angesichts der drohenden Erderhitzung wäre eine solche Bestandsaufnahme sehr dringend, um – wie war noch das Interesse der IHK? – die politische Debatte im Vorfeld der Kommunalwahlen anzuheizen!